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  • Entgelt

BAG zum Anspruch Teilzeitbeschäftigter auf tarifliche Mehrarbeitszuschläge

Das Bundesarbeitsgericht sieht unter bestimmten Bedingungen einen direkten Anspruch Teilzeitbeschäftigter auf tarifliche Mehrarbeitszuschläge vor, ohne den Tarifvertragsparteien eine vorherige Korrekturmöglichkeit einzuräumen. Die Entscheidungsgründe sind noch nicht bekannt.

Das BAG sieht aufgrund „unionsrechtlich überformter Diskriminierungsverbote“ einen direkten Anspruch Teilzeitbeschäftigter auf tarifliche Mehrarbeitszuschläge vor, wenn diese ihre individuelle wöchentliche Arbeitszeit proportional zur Zuschlagsgrenze bei Vollzeitbeschäftigten überschreiten; ohne den Tarifvertragsparteien eine vorherige Korrekturmöglichkeit einzuräumen. 
Dies ist einer Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichtes zu BAG 26.11.2025 – 5 AZR 118/23 (Entscheidungsgründe noch nicht bekannt) zu entnehmen.

I. Sachverhalt 

Streitgegenständlich vor dem BAG war im Kern die tarifliche Regelung unter § 9 Ziff. 1. Abs. 2 des in diesem Fall anwendbaren Manteltarifvertrags des bayerischen Groß- und Außenhandels vom 23. Juni 1997. Dieser sieht für die Vollzeitbeschäftigten eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 37,5 Stunden vor. Bis zur 40. Wochenstunde ist dabei durch die Tarifvertragsparteien kein Mehrarbeitszuschlag vorgesehen. Erst ab der 41. Stunde wird die Mehrarbeit mit einem Zuschlag in Höhe von 25% zusätzlich vergütet. Der in Teilzeit beschäftigte Kläger verlangte die Zahlung des tariflichen Mehrarbeitszuschlags jedoch, sobald er seine wöchentliche Arbeitszeit um 1,2 Stunden überschritten hat.

II. Was der Pressemitteilung bislang zur Begründung zu entnehmen ist

Während die beiden Vorinstanzen (zuletzt das LAG Nürnberg mit Urteil vom 11.08.2022 – 5 Sa 316/21) die Klage abgewiesen haben, hat das BAG nun entscheiden, dass eine tarifvertragliche Bestimmung, die Mehrarbeitszuschläge unabhängig von der individuellen Arbeitszeit ab der 41. Wochenstunde vorsieht, gegen das Verbot der Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter verstößt. Die Konsequenz ist nach Ansicht des BAG, dass einem Teilzeitbeschäftigen die tariflich vereinbarten Mehrarbeitszuschläge zustehen, sobald die individuelle wöchentliche Arbeitszeit proportional zur Zuschlagsgrenze für Vollzeitbeschäftigte überschritten wurde.

Aus Sicht des BAG benachteiligt die tarifliche Regelung Teilzeitbeschäftigte im Sinne von § 4 Abs. 1 TzBfG und ist gem. § 134 BGB insoweit nichtig, als sie für diese keine – der vertraglichen Arbeitszeit entsprechende – anteilige Absenkung der Grenze für die Gewährung eines Mehrarbeitszuschlags vorsieht. Für diese Ungleichbehandlung liege auch kein sachlicher Grund vor. Aufgrund Unionsrechtsbezugs ist der sachliche Grund nicht nur mittels einer Willkürkontrolle zu prüfen, sondern die vom EuGH vorgegebenen Anforderungen zu beachten. Die Zuschlagsregelung lasse sich nach Ansicht des BAG auch nicht durch eine besonders hohe Belastung bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 40 Stunden rechtfertigen, die durch die Regelung vermieden werden soll. Dies trage Belastungen, mit denen Mehrarbeit auch bei Teilzeitarbeitnehmern verbunden ist, nicht ausreichend Rechnung

Aus § 612 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG leitet das BAG offensichtlich einen Anspruch Teilzeitbeschäftigter ab, sobald die wöchentliche Arbeitszeit proportional zur Zuschlagsgrenze für Vollzeitbeschäftigte überschritten wurde.

Der Pressemitteilung lässt sich auch ausdrücklich die Auffassung des fünften Senats entnehmen, dass er diese Entscheidung aufgrund „unionsrechtlich überformter Diskriminierungsverbote“ trifft, ohne den Tarifvertragsparteien die vorherige Möglichkeit zur Korrektur dieser Regelung zu geben.

Die Sache wurde an das Berufungsgericht zurückverwiesen, da dieses keine Feststellungen zur vom Kläger geleisteten Mehrarbeit getroffen hat.

III. Einordnung seitens NORDMETALL

Das BAG folgt damit im Ergebnis nicht den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, das erst kürzlich die primäre Korrekturkompetenz der Tarifvertragsparteien hervorhob und eine richterliche Nachkorrektur tariflicher Zuschlagsregelung auf eine reine Willkürkontrolle beschränkte (BVerfG, Beschlüsse vom 11.12.2024 – 1 BvR 1109/21 sowie 1 BvR 1422/23).

Insofern erscheint es zunächst überraschend, dass das BAG in diesem Fall dennoch eine direkte „Anpassung nach oben“ vorsieht, ohne den Tarifvertragsparteien überhaupt eine Möglichkeit zu geben, die Regelung nach deren ursprünglich beabsichtigten Zweck anzupassen.

Inwiefern sich das BAG jedoch mit der Richtigkeitsvermutung von Tarifverträgen auseinandersetzt oder diese womöglich verkennt, bleibt anhand der noch nicht vorliegenden Entscheidungsgründe zu analysieren. Anschließend wird auf der vollständigen Grundlage von unseren Experten auch beurteilt, ob diese Entscheidung gleichzeitig Regelungen in den zwischen NORDMETALL und IG Metall Bezirksleitung Küste abgeschlossenen Manteltarifverträgen direkt betrifft, die derzeit zuschlagspflichtige Mehrarbeit bei Teilzeitbeschäftigten dann vorsehen, wenn die wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden überschritten wurde bzw. 38 Stunden im Tarifgebiet Mecklenburg-Vorpommern.

Ob weitere rechtliche Schritte gegen die Entscheidung des BAG erfolgen werden, bleibt noch abzuwarten. Wir informieren Sie selbstverständlich, sobald es hierzu oder zu den Entscheidungsgründen nähere Informationen gibt.