- Wirtschaft und Statistik
Bürokratieabbau: Vom Versprechen zur Umsetzung
146 Mrd. Euro Wirtschaftsleistung entgehen Deutschland jährlich durch bürokratischen Aufwand. Angestellte verbringen rund ein Viertel ihrer Arbeitszeit mit bürokratischen Tätigkeiten. Daher ist es sehr zu begrüßen, dass die neue Bundesregierung dem Bürokratieabbau die nötige Priorität geben will.
In ihrem Ende Mai vorgelegten Sofortprogramm hat die Bundesregierung erste konkrete Schritte angekündigt. So soll „investieren in Deutschland schneller, einfacher und unbürokratischer werden“. Dazu soll „bis zum Sommer eine grundsätzliche Überarbeitung von Planungs-, Bau-, Umwelt-, Vergabe- und Verfahrensrecht auf den Weg gebracht werden“. Um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln will sie u.a. das nationale Lieferkettengesetz abschaffen. Stattdessen soll „ein Gesetz über die internationale Unternehmensverantwortung, das die Europäische Lieferkettenrichtlinie bürokratiearm und vollzugsfreundlich umsetzt,“ zur Abstimmung gebracht werden.
Aus Sicht der Arbeitgeber – auch aus der norddeutschen M+E-Industrie – braucht es jedoch erheblich mehr um die Wettbewerbsfähigkeit und die Wirtschaft nachhaltig zu stärken. Aber was denn eigentlich genau?
Verschiedene Institutionen haben in den vergangenen Wochen konkrete Vorschläge zum Abbau von Regulierung erarbeitet – u.a. der Nationale Normenkontrollrat (NKR) und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Hier einige Schlaglichter auf Vorschläge, die für unsere Branche aus Unternehmens- und Arbeitgebersicht Erleichterung bringen würden:
Gezielte Entlastung für kleine und mittlere Unternehmen (KMU)
- Bündelung der Umlageverfahren für Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall, Mutterschutz u.a. bei den Krankenkassen
- Freigrenze für Sachzuwendungen an Arbeitnehmende in der Sozialversicherung auf 100 Euro anheben und höhere Beträge pauschal verbeitragen
- pragmatische, einfache, handhabbare Lösungen für die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung gewährleisten
- Schwellenwerte einsetzen, um KMU von gesetzlichen Anforderungen, die nicht sinnvoll auf sie anwendbar sind, auszunehmen
Planungs- und Genehmigungsverfahren vereinfachen
- Bundesweite Harmonisierung der Landesbauordnungen
- Genehmigungsfiktion, wenn adäquate Fristen überschritten werden
- Schaffung digitaler Plattformen für die gesamte Antragsbearbeitung
Digitale Kommunikation als Standard
- Schriftformerfordernis abschaffen, bspw.
- für den Antrag von Minijobbern auf Befreiung von der Rentenversicherung
- für die Erklärung von Rentnern zum Verzicht auf Versicherungsfreiheit bei Beschäftigung
- vorgeschrieben Gebrauchs- und Sicherheitsanleitungen mittels QR-Codes auf Verpackungen bereitstellen, statt Papierform
- Vereinheitlichung und Digitalisierung der Unbedenklichkeitsbescheinigung zum Nachweis der Sozialversicherungspflichten von Arbeitgebern
EU-Richtlinien im nationalen Recht nicht verschärfen
- Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz auf EU-Vorgaben reduzieren, bspw. Anwendung nur auf Unternehmen mit mehr als 450 Mio. Euro Umsatz und Risikobewertung für Zulieferer mit Sitz in der EU vereinfachen
- genehmigungsbedürftige Anlagen in der Liste der Bundesimmissionsschutz-Verordnung auf die in der EU-Richtlinie genannten Fälle reduzieren
Förderung vereinfachen
- aufwändige Antragsstellung vermeiden, bspw. keine Überschneidung von Förderprogrammen bei Fördergegenständen
- alle Förder-Voraussetzungen an einem Ort veröffentlichen
- Umfang der Nachweise für Mittelverwendung im angemessenen Verhältnis zur Höhe der Förderung
Fachkräfteeinwanderung beschleunigen und vereinfachen
- digitaler One-Stop-Shop für Fachkräfteeinwanderung: digitales Visa-Verfahren, alle Anträge einschließlich Berufsanerkennung
- zentrale Onlinedienste für Verfahren der beschleunigten Fachkräfteeinwanderung in allen Bundesländern einrichten
- länderübgreifende Vereinheitlichung der Berufsanerkennung mit entsprechenden Anerkennungsstellen
Betriebliche Beauftragte reduzieren
- Vorgabe des Schutzziels statt des Schutzweges: Fokussierung auf die Implementierung geeigneter Maßnahmen, statt auf Dokumentation und Formalitäten
- Aufwand betrieblicher Beauftragter (wo nötig) minimieren durch risikoorientierten oder anlassbezogenen Ansatz
- Zusammenführung der Beauftragten bei technischen Themen, Arbeitssicherheit oder Gesundheitsschutz, Umweltschutz, Datenschutz und Nachhaltigkeit
- Kein Beauftragter, wenn Thema in Gefährdungsbeurteilung, Pflichtenkatalog, Prüfpflicht durch zugelassene Überwachungsstelle (TÜV, DEKRA) fällt
- Gesetzgeber sollte bei relevanten Grundpflichten die Einhaltung beaufsichtigen, Buß- und Ordnungsgelder vorsehen und durchsetzen
Arbeitsschutz vereinfachen
- EIN verständliches Regelwerk im Arbeitsschutz
- mehr einfache Ansätze, weniger Dokumentations- und Berichtspflichten, auch um die Akzeptanz der sinnvollen Gefährdungsbeurteilung zu stärken
- Arbeitsschutz muss auch zu KMU passen – nicht nur an Konzerne denken
- mehr digitale Unterweisung
- flexible Fristen und größere Intervalle
- mehr Beratung und Unterstützung
Bürokratieverhinderung
- neue Regulierung verhindern
- Fachkreise, Verbände, Unternehmen im Gesetzgebungsverfahren früh beteiligen
- Verabschiedung europäischer Omnibus-Vorschlag-I und weitere Vorschläge zur Überprüfung von EU-Richtlinien
- Inhaltliche Überschneidungen verhindern