Standpunkte 4/2018
Mit dem ‚Jungheinrich Way of Leaders- hip‘ brachte der stets verbindlich auftre- tende Chef eine neue Führungskultur in das Familienunternehmen, die zupa- ckenderes, leistungsorientierteres und unternehmerisches Arbeiten in den Fo- kus rückte. Verstärkte Delegation von Entscheidungen wurde angesichts dieser moderneren Unternehmenskultur auch für ihn unabdingbar. „Das fiel mir nicht immer leicht, weil ich schon gern tief in den Themen drinstecke“, bekennt Hans-Georg Frey. „Aber man muss eben auch loslassen und akzeptieren, dass die- jenigen, denen man diese Aufgaben an- vertraut hat, einiges anders machen, als man es selbst getan hätte – schließlich führen viele Wege nach Rom, nicht nur ein Königsweg.“ Den fand er jedoch mit einer klugen Wachstumsstrategie. Diese setzte nicht auf größtmögliche Zukäufe im Maschi- nenbau, sondern auf sinnfällige Ent- wicklung zum Logistiksystem-Anbieter – mit einem umfangreichen Angebot an manuellen und vollautomatischen Fahr- zeugen, Regalen und Regalbedien geräten bis hin zu digitalen Lösungen und Software. Zuletzt, Ende 2015, über- nahm Jungheinrich die Münchener MIAS Group, die auf Regalbediengeräte in der Lagerlogistik spezialisiert war. Derweil modernisierte das Stammhaus mit norddeutschen Hauptproduktions- stätten in Norderstedt und Lüneburg seine Elektrostapler weiter, von denen heute schon nahezu alle mit Lithium- Ionen-Batterien ausgestattet werden können – aus eigener Fertigung. Die vollautomatischen Fahrzeuge werden in Moosburg an der Isar und im benachbar- ten Degernpoint gefertigt, wo Hans- Georg Frey ganz nebenbei eine besonde- re Idee für das Mitarbeiterwohl anstieß: „Den Kantinenwirt aus unserem Werk dort unten habe ich überzeugt, auch un- ser neues Casino in der Hamburger Fir- menzentrale zu bekochen. Früher sind immer wieder Kollegen zur Daimler- Niederlassung nebenan Mittagessen gegangen, jetzt ist es bei uns immer rammelvoll“, freut sich der Vorstands- chef. „ WIR MÜSSEN MITEINANDER NOCH MEHR AM GUTEN IMAGE DER INDUSTRIE IN DEUTSCHLAND ARBEITEN! “ sie in diesem Jahr einfach keine Dividen- de an die Gesellschafterfamilien aus.‘“ Kontinuität und Verlässlichkeit in guten wie in schlechten Zeiten als unterneh- merische Haltung, das lernte Hans- Georg Frey nach seinem Jurastudium in Erlangen, Lausanne und Tübingen schon Mitte der achtziger Jahre in der Spindel- frabrik Süßen am Rande der schwäbi- schen Alb. „Ich bin als einziger Jurist in einer Ingenieursfamilie groß geworden, da hatte ich als ‚schwarzes Schaf‘ von Anfang an eine gewisse Affinität für den Maschinenbau“, bekennt er. Und sein da- maliger Chef beschied dem jungen Assis- tenten und Rechtsassessor knapp: „Ob Sie jetzt Kaufmann, Ingenieur oder Jurist sind, zwei Sachen müssen Sie ja eh im- mer dazulernen.“ Gesagt, getan: Frey startete die Learning-by-doing-Karriere, absolvierte in den Neunzigerjahren berufsbeglei- tend den Master of Business Administra- tion in Zürich sowie Albany (New York) und wechselte 2001 zunächst als Proku- rist nach Ehingen an der Donau nahe Ulm – zu Liebherr, auch ein Familienun- ternehmen, wo er nach einem Jahr zum Vertriebsgeschäftsführer aufstieg. Keine Abhängigkeit von Banken oder Hedge- fonds, keine überbordenden Konzern strukturen, stattdessen Ruhe und Gerad- linigkeit im Haus, diese Erfahrungen prädestinierten Hans-Georg Frey für den Jungheinrich-Vorstandsvorsitz. Güldene Bilanz „Bis einschließlich 2016 haben wir ge- braucht, bis der Markt wieder auf dem Vorkrisenniveau war, vor allem in unse- rem Kernsegment Europa“, berichtet er ganz offen. Von 10.000 auf jetzt fast 18.000Mitarbeiter in 40Ländern stieg die Mitarbeiterzahl wieder bis heute, 120.000 Elektrofahrzeuge produzierte das Unter- nehmen 2017, der Aktienkurs verfünf- fachte sich auf das Allzeithoch von gut 41 Euro im Januar dieses Jahres – eine Bilanz aus hauseigenem Wachstum, so gülden wie der von der Führungsmannschaft ge- staltete Gabelstapler imEingangsbereich. Analysten führen das nicht nur auf den kontinuierlich wachsenden Logistik- markt zurück, von demauchMitbewerber wie etwa die Hamburger Still GmbH kräf- tig profitieren. „Man braucht eine klare, nachhaltige und verbindende Strategie für Mannschaft und Markt“, weiß Frey und beides schob er parallel zur Aufhol- jagd nach 2008/2009 an. „ OB SIE JETZT KAUFMANN, IN- GENIEUR ODER JURIST SIND, ZWEI SACHEN MÜSSEN SIE JA EH IMMER DAZULERNEN. “ Foto: Christian Augustin Jungheinrich AG Mit dem Verkaufsschlager „Ameise“ fing nach der Unternehmensgründung 1953 alles an. Heute setzt die Jungheinrich AG mit dem Bau von Staplern sowie Systemlogistik weltweit 3,4 Milliarden Euro um, im Jahr 2020 sollen es vier Milliarden sein. Die erst 2016 von 600 Mitarbeitern neubezogene Firmenzentrale wird bereits erweitert und soll nach Fertigstellung 2019 über 1.000 Jungheinrich-Angestellten Platz bieten. Ganzheitliches Denken, das prägt auch Hans-Georg Freys Blick auf die Politik: „Wir müssen miteinander noch mehr am guten Image der Industrie in Deutsch- land arbeiten: Nur ein profitables Unter- nehmen schafft die Arbeitsplätze und zahlt die Steuern, von denen das Land Schulen und Kitas, Straßen und Brücken baut“. Dass diese Erkenntnis in den Rathäusern und Regierungszentralen der Republik gelegentlich vernachlässigt wird, bereitet ihm Sorgen. In die Politik will Frey nach seinem Wechsel in den Aufsichtsrat gleichwohl nicht gehen, sondern – neben anderen Aufsichtsrats- mandaten – aus seinen Funktionen als Vorsitzender des traditionsreichen Ost- asiatischen Vereins (OAV) in Hamburg und Kuratoriumsmitglied der Jugend- Austauschorganisation AFS im Hinter- grund wirken. Ein bisschen öfter segeln möchte er dann auf jeden Fall. „Und Spa- nisch will ich nächstes Jahr lernen, da- mit ich mich während unserer Aufent- halte auf Mallorca mit den Einheimi- schen besser unterhalten kann“, sagt Hans-Georg Frey, bevor er geht. Na denn: Barco a la vista! Luc Fotos: Jungheinrich 42 4/2018 Standpunkte NORDMETALL 43 4/2018 Standpunkte NORDMETALL
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