Standpunkte 4/2018

Standpunkte: Haben Sie und Ihre Kollegen sich als „Verhinderer“ gesehen? Hansen: Jede Form von Compliance, jedes Regulativ wird erst einmal als einengend empfunden. Im Bereich der Digitalisierung ist die Wertschöpfung etwas sehr Wichtiges – mit eingebautem Datenschutz. Wir könn- ten Standards und auf das einzelne Unter- nehmen zugeschnittene Datenschutzlösun- gen entwickeln, beispielsweise im Rahmen der Anonymisierung von Datenbankanaly- sen. Deutsche Unternehmen könnten sogar Vorbild werden, wenn es gelänge, Geschäfts- modelle und Datenverarbeitungsprozesse sinnvoll miteinander zu verbinden. Im Mo- ment führt die DSGVO jedoch teilweise dazu, dass internationale Player ihre Daten- verarbeitungsprozesse verschlechtert ha- ben. Facebook hat etwa die biometrische Ge- sichtserkennung in Europa eingeführt, weil nun die Möglichkeit für ein – allerdings sehr komplexes – Opt-out gegeben ist. Gelingt es uns nicht, diese inversivere Datenverarbei- tung wieder einzuhegen, wird es nichts mit dem Exportschlager aus Deutschland. Wassel: Viele Unternehmen haben derzeit Angst, etwas falsch zu machen – vor allem, wenn es um die Entwicklung personalisier- ter Services geht. Wie können wir hier die Stimmung wieder ein bisschen verbessern? Juristen sagen, dass erst in fünf, sechs Jahren klar sein wird, was die DSGVO vor Gericht bedeutet. Für Unternehmen sind sechs Jahre Planungsunsicherheit eine Katastrophe. Hansen: Die Stimmung wurde nicht von den Aufsichtsbehörden gemacht, sondern Standpunkte: Die Umsetzung der DSGVO hat in vielen Unternehmen für Wirbel ge- sorgt. Haben die Datenschutzbeauftragten dadurch nun die Bedeutung erlangt, die sie eigentlich schon seit Jahren haben sollten? Marit Hansen: Die Rolle der Datenschutz- beauftragten ist durch die gesetzlichen Vor- aussetzungen klarer geworden. Vielleicht wird sie jetzt auch ernster genommen. Patrick Wassel: In vielen Unternehmen ist erst jetzt bekannt geworden, wer der Daten- schutzbeauftragte überhaupt ist. Innerbe- trieblich wie kundenseitig war das Thema Datenschutz bislang eher einVerhinderungs- und weniger einWertschöpfungsthema. Fotos: Christian Augustin Marit Hansen … studierte an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Infor- matik. Seit 1995 setzt sie sich als Dozentin und Referentin in Schleswig-Holstein für den Datenschutz ein. So leitete sie unter anderem die Modellprojekte für technischen Datenschutz des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Hol- stein. Seit Juli 2015 leitet sie die Aufsichtsbehörde in Kiel. Patrick Wassel … absolvierte ein BWL-Studium an der Universität Bayreuth und stiegt 2001 in die digitale Beratungswelt bei Loyalty Manage- ment ein. Im Anschluss verantwortete er digitale Veränderungs- prozesse in verschiedenen Agenturen und für namhafte Kunden aus den Bereichen Automotive, Finance und Health. Seit 2014 leitet er die Digitalagentur D+S 360° media world als Geschäfts- führer und fördert die digitale Transformation des Mutterkon- zerns D+S 360° Kundenservice. Zwei Menschen zwei Sichtwei- sen: Die Datenschutzbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein, Marit Hansen (49), und der Ge- schäftsführer der Agentur D+S 360° media world, Patrick Was- sel (43), debattieren rund 100 Tage nach der Umsetzung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) über die Rolle der Auf- sichtsbehörden und die Furcht von Unternehmen vor dem Thema Datenschutz. 34 4/2018 Standpunkte NORDMETALL 35 4/2018 Standpunkte NORDMETALL

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