Standpunkte 4/2018
Einen „Bildungsaufbruch für den Norden“ hat NORDMETALL-Präsident Thomas Lambusch an dieser Stelle vor zwei Jahren gefordert. Der Bildungs- monitor 2018 dokumentiert: Darauf warten wir weiter, Schulsystem und Bildungspolitik im Norden erhalten weiterhin mittlere bis schwache Noten. Zum 15. Mal seit 2004 hat das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) imAuftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) den Bildungsmoni- tor vorgelegt. Anhand von 12 Handlungsfeldern und 93 Indikatoren überprüften die Forscher um Prof. Dr. Axel Plünnecke, inwieweit die Bundeslän- der die Bildungsteilhabe verbessern, zur Fachkräf- tesicherung beitragen und Wachstum fördern. Be- sonderes Augenmerk wurde in diesem Jahr außer- dem auf die Digitalisierung gelegt. Erneut führen Sachsen, Thüringen, Bayern und Ba- den-Württemberg das Gesamtranking der 16 Bun- desländer an. Die fünf norddeutschen Länder fin- den sich auf mittleren und hinteren Plätzen. Hamburg hält Rang 5 Hamburg belegt als norddeutscher Spitzenreiter zum zweitenMal Rang 5. Positiv wirkt sich aus, dass fast alle Grundschüler in einer offenen oder gebun- denen Ganztagsschule lernen und Fremdsprachen- unterricht bekommen. Die sehr hohen Sachausga- ben für Bildung in Schulen und Hochschulen wer- den besonders effizient verwandt. Eine gezielte Personalpolitik der Schulen sorgt für vergleichs- weise viele und jüngere Lehrer pro Schüler. Verbesserungspotenzial gibt es in Hamburg bei den schwachen Lesefähigkeiten vieler Schüler in Deutsch. Besorgniserregend ist auch der sehr enge Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg. NORDMETALL und seine Stiftung engagieren sich in der Metropole für bessere Unter- richtserfolge in Mathematik und Naturwissen- schaften (MINT), etwa mit den Projekten Girls’Day Akademie, MINTforum Hamburg und dem Schü- lerforschungszentrum. Mecklenburg-Vorpommern verteidigt Platz 7 Nach dem Sprung von Platz elf auf Platz sieben im vergangenen Jahr verteidigt Mecklenburg-Vorpom- mern diese Position auch 2018. Der Nordosten ver- dankt dies vor allem der besonders gut gelungenen Abkoppelung des Bildungserfolgs von der sozialen Herkunft eines Kindes. Das bestätigt sich in einer guten Lesekompetenz. Positiv bewertet werden auch die hohe Forschungsorientierung und die gute Promotionsquote an den Hochschulen. Schwache Ergebnisse messen die Bildungsforscher vor allem beim hohen Anteil der Schüler, die eine Klasse wiederholen und der unzureichenden Um- setzung der Bologna-Beschlüsse an den Hochschu- len. Als problematisch werden auch die unausge- wogene Altersstruktur der Lehrkräfte und der ge- ringe Anteil des MINT-Personals an Hochschulen eingeschätzt. NORDMETALL und seine Stiftung engagieren sich auch im Nordosten mit MINT-Pro- jekten wie Create MV, dem Info-Truck und dem MINT-Klub nordbord. Niedersachsen erneut auf Platz 8 Niedersachsen hält den mittleren Platz acht unter 16 Bundesländern, besonders angesichts hoher Bil- dungsausgaben. Die kommen vor allem der Hoch- schullandschaft, den Grund- und den beruflichen Vollzeitschulen zugute. Als Plus wird auch hier der besonders geringe Zusammenhang zwischen sozia- ler Herkunft und Bildungserfolg verbucht, der sich im Bereich Lesen positiv auswirkt. Verbesserungspotenzial gibt es in Niedersachsen beim unterdurchschnittlichen Anteil der Grund- schüler mit Fremdsprachenunterricht, was deutlich schwächere Englischkompetenzen zur Folge hat. Auch die geringe Zahl der Studienanfänger gibt Anlass zur Sorge, insbesondere bei denMINT-Studi- enfächern. Für mehr Erfolge schon im Schulunter- richt engagieren sich NORDMETALL und seine Stif- tung unter anderem mit den Projekten MINT-Schu- le Niedersachsen, NORDMETALL CUP Formel 1 und demMINT-Klub nordbord. Schleswig-Holstein verbessert sich auf Rang 10 Schleswig-Holstein verbessert sich auf Platz zehn. Das liegt unter anderem an der geringen Quote der verspätet eingeschulten Kinder und Klassenwieder- holer. Auch der Anteil der Schüler, die nur die Min- deststandards im Lesen erreichen, ist gering. Für eine bessere Gesamtbewertung müssten aber be- sonders im Bereich MINT-Fächer und Hochschulen noch Anstrengungen unternommen werden: Schleswig-Holstein hat zu wenig Hochschulabsol- venten und stärkt die MINT-Fächer noch nicht aus- reichend. Zu wenige Kinder besuchen KITAs und Schulen mit Ganztagsangebot, und in der Sekun- darstufe II betreuen zu wenige Lehrer zu viele Schü- ler, so die Bildungsexperten. Mit der MINT-Schule Schleswig-Holstein, LüttIng. und NORDMETALL CUP Formel 1 vernetzt NORDMETALL Schülerinte ressen mit Unternehmen der Metall- und Elektro industrie. Bremen wiederholt abgeschlagen auf Platz 16 Erneut erreicht Bremen bei den Schülerkompeten- zen in Naturwissenschaft, Mathematik und Lesen nur den letzten Platz unter allen Bundesländern. In keinem anderen Land hat Bildung bei den öffentli- chen Ausgaben einen so niedrigen Stellenwert. Und nirgendwo ist die Zahl der Schüler mit sehr schwa- chen Kompetenzen im MINT-Bereich so hoch, wie in Bremen, weshalb der Weser-Stadtstaat noch ab- geschlagener am Schluss rangiert als vor Jahres- frist. Gute Ergebnisse gibt es nur im Bereich der Hochschulen: Bremen bildet vergleichsweise viele Akademiker aus, vor allem in den BereichenMathe- matik, Informatik, Naturwissenschaft und Tech- nik. Auch die Ausgabeneffizienz bei den – insge- samt viel zu geringen – Mitteln für Bildung ist ver- gleichsweise positiv. Für eine bessere Schulqualität in den MINT-Fächern engagieren sich NORDME- TALL und seine Stiftung mit dem Förderprojekt NORDCHANCE, Mint for Ing. und der Girls’Day Akademie. Luc Warten auf den Aufbruch Spezialfeld Digitalisierung Der Norden erreicht auch im erstmals untersuchten Bereich der Digitalisierung nur mittlere bis schwache Ergebnisse: In Niedersachsen verfügen Lehrkräfte über starke medienbezogene Kompetenzen, auch die Zahl der Digitalisierungspatente ist hoch. Gering ist jedoch die Zahl der IT-Absolventen an Hochschulen. In Hamburg werden die IT-Ausstattung der Schulen und die medienbezogene Kompetenz der Lehrkräfte durchschnittlich bewertet, die Förderung der Schülerkompetenzen ist sogar unter- durchschnittlich. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es zwar eine qualitativ gute IT-Ausbildung im Bereich der beruflichen Bildung, an Hochschulen aber bleibt sie schwach. Die IT-Ausstattungslage ist an den Schulen nur durchschnittlich. Dies gilt auch für Bremen, wo überdies die medienbezogene Kompetenz der Lehrkräfte nur im Mittelfeld rangiert. Gleichwohl ist die Anzahl der IT-Absolven- ten an Hochschulen bemerkenswert hoch. Schwach präsentiert sich auch die IT-Ausstattung der Schulen in Schleswig-Holstein, die medienbezogenen Kompetenzen der Lehrkräfte sind ebenso durchschnittlich wie die IT-Ausbildung in der beruflichen Bildung und an Hochschulen. Gehen wir es mal positiv an: Jedes norddeutsche Bundesland hat sei- ne Schulstärken. An der Elbe punkten sie mit erstklassi- ger Ganztagsversorgung, imNordosten klappt es mit der Bildungsgerechtigkeit, zwischen Ems und Aller wird viel investiert, im hohen Norden besonders gut gelesen und sogar an der Weser mindern sie ihre Schlusslichtpo- sition ein wenig mit besonders vielen Akademikern. Umgekehrt und abgeleitet stellt sich dann allerdings die Frage: Warum schauen im 21. Jahrhundert der Globali- sierung die norddeutschen „Provinzen“ nicht etwas in- tensiver auf die Stärken ihrer Nachbarn? Warum tun sich die Hamburger so schwer mit mehr Bildungsgerech- tigkeit, sind die Bremer so knauserig und die Nieder- sachsen so Fremdsprachen-fern? Wieso werben die Mecklenburger und Vorpommern nicht mehr um junge Lehrer oder kümmern sich die Schleswig-Holsteiner nicht intensiver umdieMINT-Fächer? Ein Blick über die Landesgrenzen würde vielleicht schon reichen, um von- einander zu lernen, trotz aller Unterschiedlichkeit der Schülerstruktur und Schultraditionen. Und in Sachen Digitalisierung gilt: Nur kräftige Investitionen sowohl in schulische Ausstattung und Infrastruktur als auch in die dazu passenden Kompetenzen des pädagogischen Personals können ihren Beitrag zum „Bildungsaufbruch im Norden“ leisten. Das würde helfen, um beim nächs- ten Bildungsmonitor die norddeutschen Negativbilan- zen ins Positive zu wenden. Kommentar Peter Golinski NORDMETALL-Bildungsgeschäftsführer 1 0 0 0 0 1 1 1 1 0 1 1 1 1 0 0 Bilder: Shutterstock 11 4/2018 Standpunkte NORDMETALL 10 4/2018 Standpunkte NORDMETALL
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