Standpunkte 3/2018
Wie ein Start-up nachhaltig funktionieren kann, hat der Bremer Carsten Meyer-Heder gezeigt. Der umtriebi- ge Selfmademan fing 1993 als Einzelkämpfer an und gründete seine Firma Neusta, ein Software- und Bera- tungsunternehmen rund um Leistungen im Internet. Der Softwareentwickler hat mittlerweile mit seiner Un- ternehmensgruppe 2017 rund 170Millionen Euro umge- setzt und es damit bis an die Spitze der deutschen Inter- netagenturen gebracht. Seit 2013 fördert das inzwischen in Team Neusta umbenannte Unternehmen auch Start- ups. „Wir haben in unseren Geschäftsräumen in der Bremer Überseestadt viel Platz, haben Co-Working- Areas eingerichtet und insgesamt zwölf digitale Start- ups gefördert“, berichtet er. Motivation des Chefs: „Ich finde Existenzgründungen und junge Leute, die etwas bewegen wollen, grundsätzlich interessant. Und erfolg- reiche Start-ups fördern auch unsere eigene Entwick- lung und Innovationskraft.“ Erfolg ist kein Zufall Erfolgreich zu gründen habe nichts mit Zufall zu tun, meint er. Viele Gründer seien gut ausgebildet und wüss- ten, wie man Businesspläne schreibt oder sich bei der Bank präsentiert. Aber das allein reiche nicht. „Erfolg- reiche Gründer brauchen ein Netzwerk an Kontakten, Coaching und Unterstützung bei der Kundenakquise.“ Dabei hilft Team Neusta: neben Geld vor allem mit Ex- pertise der inzwischen 1.000 Mitarbeiter. Natürlich nicht völlig uneigennützig. Läuft das neue Unterneh- men, beteiligt sich Team Neusta daran. Aber die Firma nutzt die Start-up-Förderung bisweilen auch als eigene Recruiting-Plattform. „Wir haben auch Softwareent- wickler von Neugründungen bei uns eingestellt“, be- richtet der Chef. Dass er darüber hinaus sein persönli- ches Unternehmer-Netzwerk bemüht, wenn es um die Einwerbung von Venture-Kapital geht, erwähnt er nur am Rande. Im kommenden Jahr, so Meyer-Heder, wolle man das Start-up-Engagement aber zurückfahren. „Wir haben bis dato rund zwei Millionen Euro investiert, jetzt wollen wir natürlich auch Erfolge realisieren.“ Und ne- benbei tritt der Macher noch für die CDU als Bremer Bürgermeister-Kandidat an. Regionalwirtschaftliche Effekte durch länderübergreifende Zusammenarbeit Umwesentlich höhere Summen geht es, wenn große Ge- werbegebiete erschlossen werden. Ein solches entsteht gerade in Niedersachsen, direkt südlich des Autobahn knotens Bremer Kreuz. Dort sollen 75 Hektar zum Ge- werbegebiet Achim-West ausgebaut werden. Dazu ist geplant, eine Straßenanbindung von Bremen aus und eine neue Abfahrt von der Autobahn A27 zu bauen. Flä- chenerschließung und Bau der Infrastruktur erfordern finanzielle Vorleistungen. Geld, das die Stadt Achim nicht hat und das Bremen beisteuern könnte. Ungeach- tet der konkreten finanziellen Ausgestaltung haben sich bereits beide Seiten zu einer Zusammenarbeit be- reit erklärt. Immerhin erwartet eine von Bremen in Auftrag gegebene Untersuchung Wertschöpfungspo- tenziale zwischen 2,7 und 5,7 Milliarden Euro bis 2040. Bremens Kaufleute begrüßen die Beteiligung der Han- sestadt an dem Projekt. Handelskammer-Präses Harald Emigholz hat denn auch schon konkrete Erwartungen an die Politik der beteiligten Partner formuliert: „Um dieses bundesweit einmalige interkommunale und Landesgrenzen-übergreifende Vorhaben gut auf den Weg zu bringen, muss bis Herbst 2018 die konkrete fi- nanzielle und organisatorische Beteiligung Bremens ausgestaltet werden.“ Bis sich allerdings das erste Unternehmen im neuen Gewerbegebiet ansiedeln wird, vergehen voraussicht- lich noch vier bis fünf Jahre. Denn Bremen dringt da rauf, dass zunächst die Entwicklung des Gewerbeparks Hansalinie an der A1 vorangetrieben wird, bevor Achim-West startet. In der Hansalinie sind vor allem Zulieferer der Automobilindustrie aktiv, aktuell arbei- ten dort mehr als 3.600 Menschen in rund 80 Unter- nehmen. Die Nachfrage nach Flächen ist ungebrochen. So vermarktete Bremen im vergangenen Jahr rund 30 Hektar. Industrielle Kerne als Ausgangspunkt für neue Aktivitäten Keine Frage: Der Gewerbepark Hansalinie profitiert vor allem von seiner Nähe zum Mercedes-Benz Werk Bre- men. Er eignet sich damit hervorragend für die Ansied- lung von Unternehmen der Automotive-Branche und steht gewissermaßen beispielhaft für die Strategie, in- dustrielle Kerne zu nutzen und um sie herum neue, leis- tungsfähige Strukturen aufzubauen. Ein weniger bekanntes, deshalb aber nicht weniger er- folgreiches Beispiel findet sich rund 100 Kilometer wei- ter nördlich, in der Hansestadt Stade. Dort haben vor 14 Jahren das ortsansässige Airbus-Werk, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), ein Fraunho- fer Institut, die Hansestadt Stade und drei weitere Un- ternehmen das CFK Valley Stade gegründet, einen Ver- ein, der sich um die Weiterentwicklung der Faserver- bundtechnologie als industrielle Fertigungstechnik kümmert. Carbonfaserverstärkte Kunststoffe, kurz CFK, gelten als Werkstoffe der Zukunft. CFK ist leichter als Metall, be- sitzt aber die gleiche Festigkeit und besticht durch wei- tere positive mechanische Eigenschaften. Deshalb eig- net es sich hervorragend zum Bau von Flugzeugen und Fahrzeugen und kann auch bei der Produktion von Schiffen und Rotorblättern für Windkraftanlagen ge- nutzt werden. Auch in der Raumfahrt, beim Bau von Formel-1-Autos oder orthopädischen Prothesen kommt CFK zum Einsatz. Wichtigster und von den Mitarbeitern her größter Play- er im CFK Valley ist das Airbus-Werk, das mit 1.800 Mit- arbeitern Seitenleitwerke und Flügelschalen für die A320- und A330-Modelle sowie Flügel- und Rumpfscha- len für den A350 produziert. Um dieses Werk herum hat sich das CFK-Kompetenznetzwerk in Stade zu einem echten Kristallisationspunkt rund um den innovativen Werkstoff entwickelt. 2006 öffnete die private Hoch- schule PFH Hansecampus Stade ihre Tore. An ihr for- schen und lernen insgesamt 140 Studenten rund um CFK. 2010 wurde das Forschungszentrum CFK Nord mit dem DLR und einem Fraunhofer Institut als Hauptmie- tern eröffnet, und immer mehr kleine und mittelständi- sche Unternehmen siedelten sich an. Heute forschen und arbeiten mehr als 3.000 Menschen im CFK Valley Stade. Inzwischen hat es sich vom regionalen zum internatio- nalen Netzwerk entwickelt und Außenstellen in fünf Ländern – Belgien, Japan, China, Südkorea und Indien – gegründet. Gunnar Merz, Vorstandschef des CFKValley, hat aber auch die unmittelbare Region im Blick: „Wir möchten das große Potenzial von CFK auch für andere Branchen nutzbar machen“, sagt er. So werde heute schonmehr CFK imSchiff- undMaschinenbau, imAuto- motive-Bereich und demBauwesen eingesetzt als in den klassischen Branchen wie der Luftfahrt oder der Spor- tindustrie. Deshalb berät das CFK Valley seit Anfang 2018 kleine und mittlere Unternehmen der Süderelbe- Region über den Einsatz von verschiedensten Faserver- bundwerkstoffen. So befruchten einstmals kleine Ver- bundprojekte am Ende die ziemlich große Region zwi- schen Ems und Elbe. LS Reifenlager im Gewerbepark Hansalinie. Dank des nahe gelegenen Mercedes-Werks hat sich hier eine leistungsstarke Automotive-Branche angesiedelt. Zwei Macher, ein Ziel: Innovationen und Unter- nehmen fördern. Gunnar Merz, Vorstands- voritzender des CFK Valley Stade (oben) und Carsten Meyer-Heder, Chef des Internetunternehmens Team Neusta. Foto: WFB, Jonas Ginter 18 3/2018 Standpunkte NORDMETALL 19 3/2018 Standpunkte NORDMETALL
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